Polaris Slingshot: Radikales Spaßgerät auf drei Rädern (2024)

Polaris Slingshot: Radikales Spaßgerät auf drei Rädern (1)

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Autogramm Polaris Slingshot: Trio infernale

Foto: Tom Grünweg

Polaris SlingshotWeniger Auto wäre Moped

Keine Klimaanlage, kein Kofferraum und nicht einmal ein Dach - viel weniger als der Polaris Slingshot kann ein Auto nicht bieten. Selbst das zweite Hinterrad fehlt. Der Spaß mit der Schleuder ist umso größer.

VonTom Grünweg

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Der erste Eindruck: Ich glaub, ich bin im Kino. Warum? Weil das ausschließlich in feuerroter Lackierung lieferbare Dreirad mit dem furchteinflößenden Bug eher an ein Science-Fiction-Fahrzeug als an einen realen Sportwagen erinnert.

Das sagt der Hersteller: Auf zu neuen Ufern - nach diesem Motto wirbt Torsten Zimmer für das rasante Dreirad. Zimmer ist Verkaufschef in Deutschland für das US-Unternehmen Polaris, das den Slingshot genannten Renner baut. Bislang fertigte die US-Firma vor allem Schneemobile, Quads und All-Terrain-Vehicles, und weil bei diesen Vehikeln die Zuwachsraten nur noch gering sind, sucht Polaris nach frischen Betätigungsfeldern. "Wir wollen uns jetzt neue Segmente erschließen", sagt Zimmer.

Da passt es ganz gut, dass zu Polaris seit ein paar Jahren auch die Motorradmarken Victory und Indian gehören - im Konzern ist also eine Art Komponentenbaukasten vorhanden, aus dem sich ein ziemlich einzigartiges Konzept zusammenbasteln ließ. Denn anders als beim vergleichbaren Can-Am Spyder sitzt man im Slingshot neben- und nicht hintereinander. Und im Gegensatz zum KTM X-Bow hat die "Schleuder", so die korrekte Übersetzung des Namens, nur drei statt vier Räder.

Genau wie das Dreirad aus Kindertagen sei auch dieser Threewheeler nichts anders als ein Spielzeug, räumt Zimmer ein. Vermarktet wird der Slingshot als Spaßgerät für Kunden, denen ein Superbike zu gefährlich und ein Supersportwagen zu teuer ist. Die Verkaufserwartungen sind eher moderat: Während Polaris in Amerika im ersten Jahr schon 9000 Slingshot-Exemplare abgesetzt hat, hat Zimmer für Deutschland erst einmal 200 Exemplare bestellt.

Das ist uns aufgefallen: Mit beiden Beinen über die Brüstung und dann ganz tief nach unten sacken lassen. Einsteigen in dieses Fahrzeug ist wie Platznehmen in einer Badewanne. Und ähnlich nackt fühlt man sich auch hinter dem Lenkrad. der Hosenboden schleift fast auf dem Asphalt, die Kunststoffkarosse endet auf Hüfthöhe und was die minimalistische Frontscheibe an Fahrtwind und Fliegen vom Oberkörper abhält, knallt dafür um so härter ins Gesicht.

Aber ungeschützt heißt auch ungefiltert, und deshalb erlebt man die Fahrt im Slingshot viel intensiver und unvermittelter als in einem konventionellen Sportwagen. Gewürzt wird das Erlebnis mit ungeheurer Fahrdynamik, dank des niedrigen Schwerpunkts, der breiten Spur der frei stehenden Vorderräder, einer brettharten Federung und einer direkten Lenkung. Der 255er-20-Zoll-Reifen baut zwar kräftig Grip auf, und die Elektronik wacht über Traktion und Stabilität - trotzdem entwickelt das Heck bisweilen ein fast schon laszives Eigenleben.

So lustvoll man den Slingshot durch Kurven prügeln kann und so viel Spaß er auf der Landstraße macht, so mühsam wird die Sache in der Stadt. Zwar ist einem dort die maximale Aufmerksamkeit sicher, doch leider bekommt man auch die volle Dröhnung der Abgase ab. Denn im Slingshot sitzt man im Prinzip auf Endrohr-Höhe. Außerdem erweist sich die Flunder innerorts als ziemlich sperrig und unübersichtlich, man ist jedenfalls froh über die serienmäßige Rückfahrkamera.

Das muss man wissen: Nicht Auto, nicht Motorrad - der Slingshot fährt in einer Grauzone. Das beginnt bei der Zulassung in der Fahrzeugkategorie L5e, die ihn trotz einer Breite von fast zwei Metern als schmalspuriges Dreirad ausweist. Es geht weiter beim Führerschein: Bei einem Ausstellungsdatum vor dem 19.1.2013 reicht der für den Pkw, danach muss es einer fürs Motorrad sein.

Und auch die Frage nach der Sicherheit lässt sich nicht so einfach beantworten: Dem Gesetzgeber genügt der Dreipunkt-Gurt, doch der Hersteller rät dringend zusätzlich zu einem Helm. Selbst der Vertrieb des 29.990 Euro teuren Spaßgeräts, das in Medina im US-Staat Minnesota gebaut wird, ist ein bisschen komplizierter. Weil der Slingshot weder zu klassischen Auto- oder Motorradhändlern und schon gar nicht in die Showrooms für Quads & Co. passt, muss man die rund 15 Händler in Deutschland ein bisschen suchen.

Technisch dagegen ist die Sache einfach. Die über einen Riemen angetriebene Hinterachsschwinge kennt man vom Motorrad. Der mit einer Kunststoffkarosse verkleidete Gitterrahmen aus Stahlrohr ist ähnlich konstruiert wie bei All Terrain Vehicles. Und den Antrieb übernimmt ein 2,4 Liter großer Vierzylinder, der samt konventioneller Fünfgang-Schaltung aus dem Regal von General-Motors kommt. Mit 175 PS Leistung und nicht einmal 800 Kilogramm Leergewicht schießt das Dreirad davon wie mit der Zwille geschossen. Dennoch fehlt dem Triebsstrang die Giftigkeit eines Motorrads - und natürlich auch die Feinabstimmung eines Sportwagens.

Das werden wir nicht vergessen: Gemessen an echten Sportwagen mit einem auch nur annähernd so hohen Aufmerksamkeitswert ist der Slingshot ein Schnäppchen. Aber auch 30.000 Euro sind viel Geld, und so fragt sich beim Blick auf die billige Kunststofflandschaft im co*ckpit, auf den schäbigen Schaltknauf und die Plastiksitze, ob es wirklich so simpel sein muss. Ja, muss es. Und nach dem ersten Schauer weiß man auch warum: Das Hartplastik ist in drei Minuten wieder trocken. Und wie es sich für eine Badewanne gehört, gluckert die Brühe im Fußraum aus dem Abfluss.

Polaris Slingshot: Radikales Spaßgerät auf drei Rädern (2024)
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Author: Ouida Strosin DO

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